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MIUT- die Feuertaufe für Trailrunner

Robert on the top

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Prolog MIUT

Nicht-Trailrunner können mit dem Begriff MIUT wahrscheinlich nicht viel anfangen. Hinter dieser Abkürzung verbirgt sich die Bezeichnung „Madeira Island Ultra Trail“. Worte, die bei Trailrunnern ein Feuerwerk der Gefühle auslösen. Freudentränen ob eine grandiose Landschaft und einen Lauf nahezu nur auf Single-Trails. Schweißperlen aufgrund der häufigen Temperaturwechsel und langen Anstiege. Treppenparanoia und Angst wege der vielen Treppen. Die Madeirer haben nämlich Treppen erfunden und gefühlt bereits 4.000 vor Christi Treppenläufe durchgeführt. Und letztlich noch die Vorfreude auf das wundervoll vorbereitete und noch besser veranstaltete Rennen, welches auch Teil der Ultra Trail World Tour ist.

Nachdem ich in den letzten zwei Jahren mit dem ZUT-Supertrail und der Trail-Challenge an der Zugspitze zwar zwei ordentliche Herausforderungen gemeistert hatte und bereits diese „Light-Ultras“ überstanden hatte, wollte ich nun die Feuertaufe zum richtigen Ultra Trail Läufer wagen. Gemeinsam mit Robert, der bereits auf der Insel als Local gilt, meldete ich mich bereits im Oktober 2016 für den Ultra Trail an.

Die Fakten

  • MIUT: 115km, 7100hm+, einmal quer über die Insel
  • Ultra: 85km, 4700hm+, nahezu einmal quer über die Insel (man steigt knapp 30km nach dem MIUT auf gleicher Strecke ein)
  • Marathon: 42km, 1200hm+, vom Pico do Arieiro bis nach Machico
  • Mini: 16km, 340hm+, lustiger Funlauf

Vorbereitung auf den MIUT

Das erste Mal war ich gezwungen den Winter quasi durch zu trainieren. Dank meines neuen Wohnortes Freiburgs stellte sich dies vom Gelände als optimal dar. Schließlich hatte ich mit dem Schwarzwald nahezu ganzjährig laufbare Trails mit bis zu 1000 Höhenmeter am Stück vor der Haustür. Dennoch erfordert es eine gehörige Portion Motivation, in stockfinsterer Nacht nach der Arbeit bei minus 5 Grad und 5cm Schnee seine abendlichen 15km und 600 Höhenmeter zu laufen. Dank meiner Lupine Stirnlampe fühlte ich mich zwar nie im Dunkeln, aber ich würde lügen wenn ich sagen würde, dass ich nicht manchmal den Schwarzwaldtieren übelste Flüche beigebracht hätte.

Und schließlich war da auch noch die Konkurrenz mit den etlichen Skitourenangeboten, welcher ich nicht gerade selten am Wochenende zum Leidwesen von Julias Trainingsplanung, nachgehen wollte. 😉

Irgendwie hat es aber doch alles geklappt und Robert und ich saßen am 18. April 2017 in unserem schönen Airbnb Appartment beim ersten Bier und voller Zuversicht auf den 22. April 2017.

Die Vorfreude auf den MIUT steigt

Die Tage bis zum MIUT gestalteten wir möglichst abwechslungsreich. Neben ständigem Essen und Trinken stand das Erkunden der Insel auf dem Programm. Robert war ja zum 6. Mal auf Madeira und somit hatte ich quasi einen Privatführer. Ich selbst kannte die Insel allerdings bereits auch schon von meinem Urlaub im November 2015 und erinnerte mich an die ein oder andere schöne Stelle.

Zudem kennt Robert die halbe Trailrun-Gemeinde und so lernte ich den ein oder anderen Läufer kennen und wir drehten schöne Runden gemeinsam mit Flo, Flo, Tom, Silke… und ich lernte mal kennen, was berghoch schnell sein heißt. 😉

Donnerstag fuhren wir schließlich bei bestem Wetter mit unserem kleinen Racer markante Streckenpunkte des MIUT ab. Robert brauchte eine mentale Einstimmung, ich genoss die Aussicht und bekam gleichzeitig ein paar geniale Bilder. Mein Respekt vor der Strecke stieg allmählich an.

Schaffe ich es? Komme ich vor 24 Uhr ins Ziel? Wie bewältige ich nur die ganzen Treppen nach bereits 40km und 2500hm?

Zweifel, Konzentration, Vorfreude, Panik, Zuversicht… alles kam immer wieder auf und musste irgendwie in kleine Schubladen verpackt und bewältigt werden. Der Tag direkt vor dem Rennen in Funchal gestaltete sich daher entsprechend schweigsam und konzentriert zwischen uns. Früh ging es nach individuellen Abendessen für uns beide, gegen 22 Uhr in die Federn… schlafen konnten wir nicht wirklich. Um 4 Uhr klingelte der Wecker.

Raceday – MIUT Ultra Trail

Der Morgen vor dem MIUT

Der große Tag beginnt um 4 Uhr morgens. Robert ist vor mir wach und bereits ganz hibbelig. Ich würge mir irgendwie meinen Chiapudding rein und schlürfe eine Tasse Kaffee. Mein Magen fühlt sich bereits jetzt nicht gut an. Als wir mit all unserem Sack und Pack von zuhause loslaufen und die kühle Morgenluft atmen wird etwas besser. Aber kurz danach, auf der kurvenreichen Busfahrt zum anderen Ende der Insel, wird mir bereits wieder übel. Im Bus herrscht verschlafenes und konzentriertes Schweigen. Keiner ist wirklich gesprächig. Öfter denke ich mir, wie bescheuert wir doch alle sind. Lassen uns 85km ans andere Inselende karren, um dann anstrengend alles wieder zurückzulaufen. Diese Ultraläufer sind schon ein komisches Volk. Manchmal versteht man sich da selber nicht.

Startvorbereitungen

Als wir in Sao Vincente ankommen ist mir eigentlich nur schlecht. Ich habe größte Bedenken, dass ich heute durchhalte. Mein Magen grummelt. Selbst der Toilettengang hilft nichts und ich warte eigentlich nur auf irgendeine Erlösung. In der dortigen Turnhalle nicke ich am Boden nochmal ein, während der alte Hase Robert aufgedreht und quitschfidel die Stimmung genießt. Kurz vor dem Startschuss begebe ich mich in den Startbereich und hätte um ein Haar fast meine zwei Trinkflasks im Dropbag nach Machico geschickt. Ein freundlicher Helfer unterstützt mich dann bei der Suche danach und es fügt sich alles noch zum Guten.

MIUT: Sao Vincente nach Encumeada

Schnell ein High Five an Robert und Marc, schon geht es um 7 Uhr in die Dämmerung. „Endlich geht es los!“ denke ich mir, aber mein Magen streikt immer noch. Ich entschließe mich, vorerst bei Robert und Marc zu bleiben und am Ende des Feldes das Rennen zu beginnen. Schnell geht es vom Asphalt auf einen schmalen Trail, der sich wunderschön durch die Landschaft mit kleinen Feldern schlängelt. Überhaupt sollte uns heute kaum Asphalt und viel Singletrail erwarten. In schnellem Gehtempo schieben wir uns mal stehend, mal laufend nach oben. Die Landschaft hier ist wirklich überwältigend schön! Ich genieße die häufigen Ausblicke auf die nördliche Steilküste der Insel, während wir immer tiefer in die Wälder hineinlaufen. Vorbei an dem kleinen Dörfchen Rosario und weiter bergauf Richtung Encumeada.

Am Ende löse ich mich doch von Robert und Marc. Die ersten 13km und 1100 Höhenmeter sind geschafft. Knapp 2 Stunden bin ich jetzt unterwegs. Meine Magenprobleme sind immer noch da, meine Energie-Gels machen es da nicht besser. Mir ist nur übel! Auch trinken mag ich nichts. Das Kopfkino beginnt und ich denke mir: „Wenn das so weiter geht, dann wird das nie etwas.“ An der ersten Verpflegungsstation angekommen trifft mich fast der Schlag. Hier ist vielleicht ein Getümmel. Müde MIUT-Läufer, die hier bereits gut 9 Stunden unterwegs sind, hungrige Ultras und dazwischen fleißige Helfer. Ich brauche nicht viel, da ich kaum was getrunken habe. Einzig die Toilette ruft, an der ich erstmal 10 Minuten anstehen muss. Dann geht es auch weiter, etwas besser, Richtung Cural des Freiras.

MIUT: Encumeada nach Cural des Freiras

Kurz nach der Verpflegungsstation sammle ich Robert wieder ein, um dann wenige Minuten später an der berüchtigten Pipeline anzukommen. Vor der hatte mich Robert bereits im Vorfeld gewarnt. Mal links, mal rechts, geht es mehr oder weniger duckend, kriechend, gehend, den Kopf anhauend und nahezu senkrecht und kerzengerade 400 Höhenmeter die Böschung hoch. Ganz oben erkenne ich andere Läufer und denke mir: „Na Spitze, bis da musst du noch hoch.“. Langsam werden zumindest meine Magenprobleme besser und ich denke das erste Mal an meine Freundin zuhause. Ob sie bereits wach ist und mitfiebert oder immer noch im warmen Bett liegt? Wie schön wäre es doch, wenn sie da oben auf mich warten würde. Motiviert gebe ich etwas Gas.

Oben angekommen geht es leicht ansteigend auf der Hanghöhe einen wundervollen Trail entlang. Aufgrund meines langsamen Anfangstempos fühle ich mich hier immer noch recht frisch und kann endlich das Rennen richtig aufnehmen. Mit tollen Ausblicken, aber leider immer wieder im Läuferstau, geht es sachte auf eine Scharte zu. Diese führt uns dann steil bergab zur nächsten Verpflegungsstation in Cural des Freiras. Langsam fängt der Planet an, heiß zu werden…

Den Downhill über 1000 Höhenmeter hinunter nach Cural des Freiras genieße ich sehr. Endlich schaffe ich es auch einige Läufer zu überholen und das Feld zieht sich nach 3,5 Stunden etwas auseinander. Angekommen in Cural des Freiras betrete ich die größte aller Verpflegungsstationen in einer Turnhalle. Einige MIUT-Läufer hängen hier bereits an einem Tropf und ich frage mich, ob diese wirklich das Rennen fortsetzen möchten. Ich selber habe meinen Magen immer noch nicht ganz im Griff und so trinke ich einigen Tee und probiere mich an gesalzenen Nüssen und ein paar Orangenschnitzen. Bleibt drin… kann man drauf aufbauen.

MIUT: Von Cural des Freiras zum Pico Ruivo – Gipfelsieg

Beim Rauslaufen werden wir nun alle kontrolliert. Mindestens 1,5 Liter Wasser und ein Handy müssen wir dabei haben. Es geht nun gut 1400 Höhenmeter bei sengender Hitze hoch auf knapp 2000 Meter ins Hochgebirge. Es ist 11:30 Uhr und der Planet sticht. Ich fühle mich fitter und beginne den Anstieg in zügigem Stechschritt. Meine Uhr zeigt 650 Höhenmeter pro Stunde und ich fühle mich nun von Minute zu Minute besser. Mein Magen nimmt endlich einiges an Energie-Gels auf und ebenso das Trinken und die Salztabletten funktionieren. Ich überhole viele Läufer und unterhalte mich teilweise kurz mit ihnen. Diesen Streckenabschnitt kenne ich bereits aus einem vorangegangenen Madeiraurlaub und habe aufgrund der vielen kommenden Stufen hier höllischen Respekt vor diesem Teil.

Der Streckenabschnitt ist aber auch wunderschön! Teilweise sieht man auf beiden Seiten des Grates, den es sehr lange entlang geht, das Meer und die ganze Insel liegt einem zu Füßen. Nun bin ich auch öfter alleine unterwegs und in der Ferne sehe ich bereist den Pico Ruivo. Hier wird die nächste Verpflegungsstation in der dortigen Schutzhütte sein. Rund 2,5 Stunden brauche ich bis hierher, ruhe mich dann kurz in der Hütte aus und fülle meine Trinkvorräte auf. Der Magen wird immer besser und neben den salzigen Nüssen und Orangenscheiben passt nun auch etwas Bitterschokolade hinein. Nebenbei beobachte ich einige zerstörte MIUT-Läufer, ziehe aber gleichzeitig auch den Hut vor dieser beachtlichen Leistung bis hierher. Schließlich haben wir nun nahezu die meisten der positiven Höhenmeter gemeistert und die MIUT-Läufer auch bereits eine Nacht auf der Strecke verbracht.

MIUT: Vom Pico Ruivo zum Pico Arieiro

Auf die nächste Etappe zum Pico Arieiro freue ich mich sehr, kenne ich diese Etappe von meinem Trainingstraillauf 2015 schon gut. Es wird über viele höllische Stufen hoch und runter auf dem Grat rüber zum zweithöchsten Gipfel Madeiras gehen. Hier wird dann auch mein Dropback mit den doch etwas bequemeren Salomon Sense Ultra warten und ich komme nach 45km endlich aus den genialen Kampfschlappen „adidas Agravic Speed“ raus.

Ich werfe mir nun das erste Mal Musik in die Ohren und laufe vorbei an den vielen verblüfft schauenden Touristen. Unterwegs fluche ich nicht selten über die Treppenstufen, die unmenschliche Höhen haben. Steffi, eine Trailläuferin aus Coburg, leidet ebenso und so kommen wir gemeinsam mit einem Franzosen kurz ins Gespräch. Sie sollte ich heute noch öfter treffen. Das ist das Schöne an Ultraläufen. Man kämpft oft alleine gegen sich, aber doch wieder auch gemeinsam mit anderen und der großen Ultratrail-Gemeinschaft.

Irgendwann wird mir das Tempo aber etwas zu langsam und ich ziehe leicht an. Noch fühle ich mich aufgrund des langsamen Starts recht fit und ein erster Stolz über meine bisherige Leistung treibt mich an, weiter zu laufen. Meine Gedanken schweifen wieder zu meiner Freundin zu Hause und geben mir noch etwas mehr Kraft. Nach gut 45 Minuten komme ich am Pico Arieiro an und husche auch gleich in die Verpflegungsstation, wo ich mich auf den Militärliegen in meine frischen Klamotten und Schuhe werfe. Herrlich, wieder etwas Unverschwitztes anzuhaben! Schnell werden noch die Gelpacks im Rucksack aufgefüllt und etwas Orangen-Schokoladen-Nuss-Mischung in die Backentasche geschoben. Nun geht es fast nur noch bergab. Es reicht auch langsam! Meine Uhr zeigt mittlerweile 4100 positive Höhenmeter und 45km. Halbzeit! 😉

MIUT: Vom Pico Arieiro bis nach Ribeiro Frio

Das erste Mal heute mache ich das Handy an und gleich kommen einige Anfeuer-SMS von meiner Freundin. Es flasht mich, dass sie so mitfiebert und auf einmal fühle ich mich noch frischer. Mit dieser Energie und Motivation schieße ich an etlichen Läufern vorbei den Berg hinunter und nehme an einer scharfen Kurve fast noch einen Ordner mit. Der Trail von hier oben nach unten ist wirklich grandios. Es geht angenehm steil nach unten und wirklich flowig entlang an kleinen Levadas durch eine Heiden-Wiesen-Totwaldlandschaft.

Die Stimmung mit dem Nebel ist mystisch und ich bin wirklich im „Flow“. 10km später schlage ich nach gut einer Stunde in Ribeiro Frio in der nächsten Verpflegungsstation auf. Langsam werden die Füße doch etwas müde und der letzte Anstieg mit knapp 500 Höhenmetern hoch nach Poiso steht bevor. Von unserer Streckenbesichtigung an den Vortagen kann ich nur erahnen, was mich jetzt erwartet. Gleich vorab: Es war noch schlimmer!

MIUT: Vin Ribeiro Frio bis nach Poiso – menschenverachtend

Ein Blick auf mein Handy gibt mir Power. Wieder eine SMS von zuhause: „Der letzte Anstieg mein Liebster…“ gefolgt von dem Hinweis auf das Lied von Robert und mir „Jede Zelle deines Körpers ist glücklich…“ und so quäle ich mich fröhlich-trällernd den menschenverachtenden Matschhang in Direttissima senkrecht nach oben. Mein Singen schwingt aber sofort in heftiges fluchen um. Ich höre Worte wie „menschenverachtend“, „scheiß Streckenführung“, „wer kommt auf eine solche bescheuerte Idee“, „aua meine Oberschenkel“ zusammenhanglos aus meinem Mund schießen.  Ich bin nicht der Einzige, der in seiner Muttersprache die Streckenführung hier ordentlich beschimpft. Ohne Stecken ist es aufgrund der rutschigen Steilheit fast nicht zu meistern. Was ein Brett!!! Die Motivation ist weg und ich will nicht mehr. Jetzt ist es da, das Loch!

Spätestens jetzt läuft das Rennen nicht mehr mein Körper, sondern mein Kopf. Ich versuche, mich zu motivieren, Energie zu generieren. Verpflege mich regelmäßig. Dem Magen geht es zumindest gut. Dennoch, die mentale Energie fehlt. Ich stelle mir mehrfach die Sinnfrage. Gedanken an meine Liebste zu Hause und die Kinder und deren Lächeln geben mir die Kraft, auf diesem Anstieg immer einen Schritt vor den anderen zu setzen. Die 50 Minuten für die knapp 500 Höhenmeter kommen mir vor wie 3 Stunden. Angekommen in Poiso falle ich erstmal auf einen Plastikstuhl. Der Stecker ist gezogen, die Motivation dahin.

MIUT: Von Poiso nach Larano

Ich werde mit Motivations-SMS von der Freundin befeuert und kriege klar die Ansage, dass es jetzt ja nur noch runter geht und nicht mehr aufgegeben wird. Sie wahnsinnig stolz auf mich. Irgendwie spendet mir das so viel Energie, dass ich den kommenden Downhill in einem 5er Pace laufe. Ständig folgen SMS und meine Zwischenzeiten. Es wird wirklich live mitgefiebert und mit angefeuert. Wow, das hätte ich nie erwartet! Mein Ziel im Hellen anzukommen gebe ich auf, will aber zumindest vor 22 Uhr ins Ziel kommen.

Jetzt geht es nochmals einen senkrechten Downhill nach unten. Ich bin nun fast alleine unterwegs und sehe keine anderen Läufer mehr. Ich eiere rutschend, laufend, gehend einen senkrechten Matschweg nach unten. Meine Knie sind froh, als die vorletzte Verpflegungsstation in Larano auftaucht. 72km und nahezu alle Höhenmeter sind gemeistert und meine Uhr zeigt kurz nach 20 Uhr. Um 21 Uhr wird es dunkel. Das wird wohl wirklich nichts mehr mit dem Hellen. Ich fühle das letzte Mal meine Trinkvorräte auf, genehmige mir etwas Orangen und Schokolade und eine Cola. Dann quäle ich meine müden Beine langsam in die Dämmerung.

MIUT: Zieleinlauf

Ich weiß allerdings, dass jetzt der Trail durch eines der schönsten landschaftlichen Teile von Madeira geht. Wir folgen den nächsten ca. 10km dem Boca do risco, einem Höhenweg direkt an den Steilklippen entlang.

Als ich hier in der Abenddämmerung in den Sonnenuntergang laufe weiß ich nicht, woher genau die Tränen in meinen Augen stammen. Aufgrund der Schmerzen, der Rührung durch die anfeuernden Worte meiner Freundin oder der Schönheit des Lichtes und der Landschaft? Mir geht es jedenfalls irgendwie gut, auch wenn mir das jetzt ein Nicht-Läufer sicher nicht glaubt.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich weiß, dass ich es schaffen werde.

Langsam wird es finster und viele Läufer um mich herum holen ihre Stirnlampe raus. Ich hänge mich an eine spanische Dreier-Gruppe und versuche, in deren Lichtkegel mitzuschwimmen. Die Faulheit, meine eigene Lampe zu holen, ist noch zu groß. An der letzten Verpflegungsstation angekommen muss ich dann doch den Rucksack abnehmen und die Stirnlampe rauskramen. Euphorisiert, nur noch 5km vor mir zu haben und es vor 22 Uhr ins Ziel zu schaffen, renne ich los.

Irgendwie habe ich wieder Reserven mobilisiert, denn ich laufe wirklich zügig entlang einer in der Dunkelheit verborgenen Levada, in die ich einmal fast hinein falle. In der Ferne sehe ich bereits die beleuchtete Bucht von Machico. Hier wird das Ziel sein. Nach 25 Minuten sehe ich den schwarzen Teppich und den Zieleinlauf. Das ZIEL ist vor Augen, die Strandpromenade grölt und es ist 21:48 Uhr, als ich nach 14:48 Minuten befreit ins Ziel springe. Meine Freundin ist live online dabei und ich erhalte tolle Bilder von meinem Zieleinlauf (leider verdecken mich ein paar andere Läufer). Glücklich, kaputt und innerlich erstmal leer falle ich auf den Boden und wie ein Wunder steht gleich Flo Schütz (der den MIUT sensationell gerockt hat) mit einem kalten Bier da.

Herrlich, so lobe ich mir das!

Emotionen nach dem Ziel

Jemand, der es nicht erlebt hat denkt wahrscheinlich, man ist total euphorisch nach so einem Ultra-Zieleinlauf. Nein. Der Stolz, die Euphorie, das Selbstbewusstsein, das kommt alles erst ein paar Tage danach. Direkt danach geht in einem eher eine Leere, eine Kraftlosigkeit, eine Müdigkeit, aber auch eine gewisse Freiheit rum. Für tiefere Empfindungen ist man mental einfach zu ausgepowert und körperlich zu fertig. Man realisiert gar nicht das Geleistete.

Fazit

Der MIUT (bzw. der Ultra) ist ein wirklich empfehlenswertes Rennen. Die Strecke folgt nahezu nur schmalen Trails und verläuft durch eine gigantische Landschaft, die ihres gleichen sucht. Irgendwie liebäugle ich ja schon nochmal mit der gesamten Strecke über 115km.

Aufgrund der Schönheit der Strecke und bei entsprechender Renneinteilung kommt es einem wirklich oft kurzweilig vor, auch wenn ich gewisse Schmerzen und Anstrengungen nicht abstreite. Die Organisation während des Rennes ist super. Die Helfer sind sowas von hilfsbereit und an den Verpflegungsstationen gibt es wirklich alles, was das Herz begehrt. Einzig das Rennbriefing bietet Anlass zur Optimierung.

Danken möchte ich aber  insbesondere meiner Freundin, die mich von zuhause durch ihre zahlreichen SMS perfekt supportet und den Tag wohl auf heißen Kohlen sitzend mitgefiebert hat. Ohne sie wäre ich sicher nicht mental so stark gewesen und hätte mich derart motivieren können, meine Energiereserven zu mobilisieren. Danke Liebste! Nächstes Jahr zu einem anderen Ultra packe ich dich einfach gemeinsam mit den Kids ein. 🙂 Dann wird es halt eher etwas in den Alpen. Empfehlungen nehme ich gerne entgegen. 😉

Ein großes Dankeschön geht natürlich auch an meinem Sponsor adidas Terrex! Ich würde für die Vorbereitung und den MIUT mit neuen Produkten aus dem Trailrun-Segment von Terrex ausgestattet. Ohne hier detailliert auf jedes einzelne Produkt eingehen zu wollen kann ich aber sagen, dass die Teile die Konkurrenz wirklich nicht scheuen müssen und während meines Laufs tadellos ihren Dienst verrichtet haben! Mit dabei waren von Terrex: Agravic Speed, Agravic Short, Agravic Wind Jacket und ein Stirnband

Zuletzt nochmal danke an Robert für die geniale Woche in unserer coolen Airbnb Wohnung und die kurzweilige sowie witzige Zeit. Das Fotoshooting mit dir war auch großartig!

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Flo
Flo

1 Comment

  1. Robert sagt:

    Sehr geil. Da leide ich direkt nochmal mit. Durfte bzw. musste ja ein paar Stunden länger leiden 😉

    Nächstes Jahr… was machen wir? MIUT stünde fest bei mir.

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