Weissmies über Normalweg – Eine Hochtour im Wallis
24. August 2013Climb & Hike im Allgäu und Pitztal
27. Oktober 2013Das Bergzeit Mountain Equipment Eiswand-Biwak
Du liegst da, zwei bis drei Lagen bester Outdoor-Klamotten an deinem Körper, eine Mütze auf dem Kopf, nur deine Augen und die Nase schauen aus dem dicken Daunenschlafsack und dennoch frierst du wie ein Schneider. Eine Nacht Ende September im Eiswand-Biwak, schlafen unter freiem Himmel, im Eis auf knapp 3500 Meter über dem Meeresspiegel. So mancher kann sich wohl etwas Entspannteres vorstellen. Für mich als Abenteurer und jemand, der immer wieder gerne neue und nicht alltägliche Dinge ausprobiert, war es eine der eindrucksvollsten Erfahrungen, die ich bisher machen durfte!
Die freudige Kunde
„Wie geil ist das denn???“ war mein erster Gedanke, als ich Anfang August die Email über meinen Gewinn des Eiswand-Biwak las. Die gute Nachricht über meine Teilnahme am Mountain Equipment Eisbiwak erreichte mich direkt nach unseren Trips auf’s Allalinhorn und das Weissmies. Wir waren gerade zurück auf dem Campingplatz und saßen das schlechte Wetter aus, als mich folgende Email erreichte:
Hallo Dennis,
herzlichen Glückwunsch! Unsere Juroren Markus H. und Thomas H. haben dich für die Teilnahme am Bergzeit Alpin Camp/Mountain Equipment Eiswand-Biwak ausgewählt. Die Eiswand-Tour zur Wildspitze findet von 20. bis 22. September 2013 statt. Treffpunkt ist Vent in Tirol (Ötztal). Die Anreise zum Treffpunkt erfolgt selbständig. Hier findest du noch einmal die Ausschreibung: http://www.bergzeit.de/magazin/gewinnspiele/bergzeit-alpin-camp-das-mountain-equipment-eiswand-biwak/
Bitte gibt mir schnellstmöglich bescheid, ob du deinen Gewinn antreten möchtest. Vorausgesetzt es ist für dich okay, gebe ich deine Kontaktdaten im Anschluss an Thomas H. von Mountain Equipment weiter. Thomas koordiniert und organisiert die Tour im Vorfeld und wird auch vor Ort mit dabei sein.
Das Bergzeit-Team wünscht dir viel Freude über deinen Gewinn. Wir freuen uns, wenn du mit dabei bist!
Viele Grüße
Judith
Na da muss ich doch nicht lange überlegen… 😉
Die Vorgeschichte
Im Juli, noch bevor wir unseren Alpenurlaub 2013 antraten, wurde ich zufällig auf das Bergzeit Alpincamp und das damit verbundene Gewinnspiel aufmerksam. Die Wildspitze Nordwand zu durchsteigen und vor allen Dingen das dazugehörige Eiswand-Biwak, ich konnte einfach nicht anders, als mich zu bewerben und darauf zu hoffen, dabei sein zu dürfen. Relativ schnell war ein gutes Bild gefunden, das wir während unseres Eiskletterkurses geschossen hatten und auch ein passender Text ließ nicht lange auf sich warten. Danach hieß es dann warten, bis die Gewinner ausgelost werden. Wie schon geschrieben, saßen wir auf dem Campingplatz in Saas-Grund und ich habe mit so ziemlich allem gerechnet, aber nicht damit, dass gerade mal eine Woche, nachdem ich während meines Eiskurses bereits auf der Wildspitze war, schon der nächste Termin für Österreichs zweit höchsten Berg anstehen würde.
Das Berzeit Alpincamp: Mountain Equipment Eiswand-Biwak
Nach einigen Emails von Thomas von Mountain Equipment bezüglich der benötigten Ausrüstung, Zeitplan und anderen organisatorischen Dingen war dann vorerst mal wieder warten angesagt. Vorab musste ich noch kleinere Ausrüstungsgegenstände besorgen und vor allen Dingen ein Auto organisieren, um die Reise ins Ötztal bewältigen zu können (ein großes Dankeschön an dieser Stelle noch mal an Bine und Ronny!).
Freitag, 20.09.2013 – Auf in’s Ötztal
Am frühen Morgen des 20. September ging es dann endlich los, der Wetterbericht sah äußerst vielversprechend aus! Ich sammelte meine drei Mitfahrer am Hauptbahnhof in Mainz ein und wir machten uns auf den Weg Richtung Süden. Nachdem ich in Stuttgart und Ulm die ersten beiden abgesetzt hatte, blieben nur noch Mike und ich im Auto übrig. Mike musste nach Sölden und ich nur ein paar Kilometer weiter, somit hatten wir beide genug Unterhaltung und die lange Fahrt war alles andere als langweilig. Der Treffpunkt mit dem Team von Mountain Equipment und Bergzeit war in Vent im Ötztal und nachdem wir vier Teilnehmer ebenfalls vollzählig waren, begann die Materialverteilung und das Vorbereiten der Rucksäcke für den Aufstieg. Außerdem durften wir unsere Geschenke, eine nagelneue GoreTex Pro-Jacke in Empfang nehmen!
Unsere Gruppe bestand aus acht Personen: Markus und Rainer, unsere beiden Bergführer, Thomas von Mountain Equipment und Axel, ein Alpinist, der öfter für Bergzeit.de bloggt und einen Artikel über die Tour schreiben sollte. Auf Teilnehmer- bzw. Gewinnerseite waren dabei Henrike und Sabine, zwei Österreicherinnen, Felix aus München und ich.
Wir liefen also in Vent los, mussten von 1900m knappe 1000 Höhenmeter bis auf 2844m aufsteigen, das ganze mit Klamotten, Schlafsack, Isomatte, Gaskocher und Verpflegung für zwei Tage. Knappe drei Stunden später erreichten wir die Breslauer Hütte, welche für die erste Nacht unser Lager sein sollte.
Ein Radler später bezogen wir unser Viererzimmer. Alle sehnten sich nach etwas zu essen und dementsprechend genossen wir das Halbpensions-Drei-Gänge-Menü umso mehr. Die Gespräche, Diskussionen und Witzeleien über allerlei Erlebtes taten das Übrige zur freundschaftlichen und lustigen Atmosphäre an diesem Abend und Thomas erzählte uns ein paar interessante und coole Details zu unseren neuen Jacken, bevor wir vier Teilnehmer uns gegen halb zehn in die Lager zurückzogen, während es sich Thomas, Markus und Axel draußen am Biwakplatz vor der Hütte gemütlich machten. Rainer bevorzugte ebenfalls ein Zimmer in der Hütte.
Samstag, 21.09.2013 – Wildspitze und eine sau kalte Nacht im Eiswand-Biwak
Der Wecker klingelte um halb acht, vergleichsweise spät für einen Bergsteiger, aber wir hatten es ja nicht eilig. Während die meisten anderen Seilschaften bereits auf bestem Weg Richtung Wildspitze waren, um wieder rechtzeitig am Nachmittag zurück auf der Hütte zu sein, wussten wir ja, dass wir alle Zeit der Welt hatten. Wir trafen uns in der Stube zum gemeinsamen Frühstück und stärkten uns für den anstehenden Tag. Dummerweise hämmerte zu diesem Zeitpunkt schon ordentlich mein Kopf und versuchte mir so bewusst zu machen, dass er den schnellen Aufstieg von 88m (Mainz) auf 1900m nicht so gerne mochte.
Gleich nach dem Essen schulterten wir unsere bereits gepackten Rucksäcke und machten uns auf den Weg Richtung Mitterkarferner, über den wir auf’s Mitterkarjoch (3468m) aufstiegen. Nachdem wir dort angekommen waren, machten wir uns auf die Suche nach einem geeigneten Biwakplatz und ließen alles, was wir nicht für die Besteigung der Wildspitze benötigten, dort. Gut eingewickelt in Biwaksäcke blieben also Dinge wie Schlafsack, Isomatte, Gaskocher und Trockennahrung, aber auch andere Kleinigkeiten einfach im Schnee liegen und wir gingen den Hauptteil des Tages an.
Wir bildeten drei Seilschaften, Felix und Sabine mit Rainer, sowie Henrike und ich mit Markus jeweils zwei Teilnehmer mit einem Bergführer. Die beiden erfahrenen Alpinisten Thomas und Axel gingen zu zweit los Richtung Wildspitze. Eigentlich wollten wir die Nordwand angehen, jedoch war es zwischenzeitlich doch schon etwas später und wir wollten nicht im Halbdunkel noch den Biwakplatz vorbereiten, weshalb wir uns für einen Teil der Westflanke entschieden, der für eine erste Tour ebenso gut geeignet schien. Mir sollte die spontane Planänderung nur recht sein, denn meine Kopfschmerzen wurden eher schlimmer als besser, ich fühlte mich auch sonst nicht sonderlich fit und hatte schon fast das Gefühl, eine Erkältung auszubrüten. Also hoffte ich vorerst, dass es nur an dem Höhenunterschied von rund 2400m in 18 Stunden und dem wenigen Schlaf von Donnerstag auf Freitag lag und gab mich schweren Herzens mit der „kleineren“ Tour zufrieden.
Diese „kleinere“ Tour dauerte aber dennoch ihre Zeit, bis wir vom Wandfuß der Westflanke auf den Gipfelgrat zwischen Nord- und Südgipfel kamen und ich hätte mir kaum vorstellen können, wie anstrengend es sein kann, eine solche Eiswand frontal anzugehen. Aber eben das macht auch den Reiz aus. Du nimmst keine Umwege in Kauf, du suchst dir eine gerade Linie nach oben und gehst es einfach an. Seillänge für Seillänge arbeiteten wir uns nach oben, immer voran Markus, unser Bergführer, der die 40m Länge des Seils so weit wie möglich ausnutzte, bevor er Stand machte.
Stand machen in einer solchen Eisflanke, das bedeutet erst einmal den in unserem Fall vielleicht 30cm hohen Schnee vom blanken Eis zu kratzen, frei stehend auf den Front- und den ersten senkrechten Zacken der Steigeisen. Danach werden zwei bis drei Eisschrauben ins Eis getrieben, diese in einer Reihenschaltung miteinander verbunden, um dann die Nachsteiger zu sichern. Nachdem die Vorbereitungen an den Standplätzen abgeschlossen waren, machte sich Henrike als zweite auf den Weg nach oben, während ich den unteren Standplatz abbaute und mich in kurzem Abstand ebenfalls auf die Socken machte. Immer gut außer Atem kamen wir bei Markus an, mussten erst einmal etwas verschnaufen, bevor wir uns auf das nächste Teilstück konzentrieren konnten. Henrike, die ihre Grippe der vergangenen Woche noch nicht ganz auskuriert hatte, fasste zwischenzeitlich den Entschluss, am folgenden Tag keine Tour mehr zu gehen, sondern nur noch den Rückweg hinab zur Hütte und dort auf uns zu warten. Bis dahin gab es allerdings noch einiges zu tun und so arbeiteten wir uns Seillänge für Seillänge nach oben, frierend, keuchend und ächzend, wie alte Leute kamen wir uns vor.
Angekommen auf dem Gipfelgrat passierte das, was mich mit am meisten am Alpinismus fasziniert: Du schleifst deinen Körper stundenlang den Berg hinauf, egal ob über den meist recht einfachen Normalweg, oder wie wir direkt durch die Mitte. Du schindest dich, versuchst das Gefühl der Kälte, die Müdigkeit, Schmerzen und all die Anstrengung zu überwinden und in dem Moment, in dem du den Gipfel erreichst, ist plötzlich nur noch ein Hochgefühl, Freude, Stolz, oder wie man es sonst nennen mag, zu spüren. Du genießt den Augenblick, gratulierst deinen Seilpartnern und lässt dir gratulieren, danach schweift dein Blick wieder und wieder über das vor dir ausgebreitete Panorama, die benachbarten Gipfel und Täler und du weißt, du hast den anstrengendsten Teil geschafft.
Dieser Moment ist aber auch der, an dem du dir als Alpinist zwingend ins Gedächtnis rufen musst, nicht unaufmerksam oder nachlässig zu werden, denn schließlich passieren die meisten Unfälle während des Abstiegs und wie sagt man so schön, die Tour ist erst dann zu Ende, wenn alle wieder wohlbehalten auf der Hütte bzw. im Tal oder sogar daheim sind!
Wir hatten aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit und der sich stark dem Ende nähernden Hochtourensaison das Glück, ganz allein auf dem mit Schnee bedeckten Gipfel der Wildspitze zu stehen. Ich würde vermuten, dass man in diesen Genuss nur eher selten kommt, denn die Wildspitze ist ein äußerst beliebter Berg. Noch rund vier Wochen zuvor hatte ich ebenfalls auf diesem Gipfel gestanden, der damals aber nicht eingeschneit war und von Einsamkeit konnte damals ebenfalls nicht die Rede sein. Also genossen wir unseren Gipfelerfolg bei strahlendem Sonnenschein und einem leichten und kühlen Wind auf dem zweithöchsten Berg Österreichs, schossen diverse Gipfelfotos und genossen leckere Schoki von Henrike, sowie einen Gipfelschnapps von mir, bevor wir uns in den bekannten Seilschaften wieder an den Abstieg zurück zum Biwakplatz machten. Wir drei plus Thomas und Axel stiegen über den Gipfelgrat Normalweg weiter Richtung Süden ab, bis wir wieder den festen Schnee des Gletschers unter den Füßen hatten, die andere Seilschaft wählte für den Abstieg einen nördlicher gelegenen Teil der Westwand und so trafen wir uns am Biwakplatz am Mitterkarjoch wieder.
Der nächste Programmpunkt sollte auch das letzte Bisschen Kälte aus unseren Knochen vertreiben, denn bevor wir das Abendessen auf knapp 3500m genießen konnten, stand der Bau der Schlafplätze für unser Eiswand-Biwak an. So musste jeder von uns mit der mitgebrachten Schneeschaufel ein Loch in den Schnee buddeln und die Seitenwände mit kleineren Brocken aus Schnee- bzw. Eisstücken erhöhen, um gegen den kalten, nächtlichen Wind gewappnet zu sein. In eben diese Löcher wurde, wie sich das bei einem Eiswand-Biwak eben gehört, die Isomatten und Schlafsäcke gelegt. Das war’s.
Während die letzten von uns noch an ihren Behausungen arbeiteten, kümmerte sich Thomas schon mal um das leibliche Wohl. Jeder von uns hatte für’s Abendessen und das Frühstück gefriergetrocknete Bergsteigernahrung bekommen und so wurde ein Beutel nach dem anderen mit heißem Wasser befüllt, gewartet und danach gespeist. Und selbst das Abendessen war ein Spektakel für sich, denn wann kommt man schon in den Genuss, auf knapp 3500m über dem Meeresspiegel zu dinieren, umringt von der Wildspitze und dem Südlichen Brochkogel, mit grandiosem Blick auf die umliegenden Gipfel, nur wir acht und bei herrlichstem Bergsteigerwetter? Petrus war uns an diesem Tag mehr als nur gnädig und wir genossen jeden Augenblick in vollen Zügen!
Schon während dem Abendessen wurde es allerdings richtig ordentlich kalt, so dass es schon kurz darauf einen nach dem anderen in die Schlafsäcke zog. Ich genoss noch einen Moment die Ruhe auf dem Mitterkarjoch, normalerweise würde ich ja um diese Zeit schließlich schon lange wieder auf der Hütte sitzen, und versuchte, mich vom immer noch anhaltenden Kopfschmerz abzulenken. Eine kleine Anekdote noch am Rande: Selbst den Gang zur Toilette bzw. dem Platz, der zur solchen auserkoren wurde, überlegt man sich genau, denn bei geschätzten -12°C auch nur den Hosenlatz zu öffnen ist bereits qualvoll, aber die drei bis vier Lagen Beinkleider komplett fallen zu lassen grenzt an Masochismus und ich kann euch sagen, ich hab es ausprobiert, oder eher gesagt ausprobieren müssen 😉
Wie schon erwähnt, verkrochen wir uns also nach dem Abendessen alle relativ zügig in unsere Schlafsäcke, genossen aus unseren Schneelöchern heraus noch etwas das Glühen des Abendrotes, welches sich uns an den Ausläufern der Wildspitze zeigte und warteten auf die eintretende Dämmerung über den Ötztaler Alpen. Kurz darauf ereilte uns die stille Dunkelheit und mit ihr eine fast unbändige Müdigkeit, der wir nachgaben, die Augen schlossen und einschliefen, um fit für den nächsten Tag, die nächste Tour zu sein.
Mitten in der Nacht wachte ich mehrmals auf. Es quälten mich immer noch meine Kopfschmerzen, eine seltsame Aufgeregtheit und der Drang, dem Schlafsack kurz zu entfliehen und nochmals „das Örtchen“ aufzusuchen. Ich unterdrückte all diese Wehwehchen, unter anderem, weil meine Schuhe nicht mit Schlafsack waren und daher wohl saukalt und zwang mich dazu, mich wieder auf’s Einschlafen zu konzentrieren, was natürlich desto weniger gelang, je mehr ich es versuchte.
Also liegst du, wie eingangs schon beschrieben da, eingepackt in deinen Schlafsack, mehrere Lagen Klamotten am Leib, zwei Paar Socken, Handschuhe und Mütze und versuchst, irgendwie die Nacht rumzubringen, was mir aufgrund der Aussicht doch tatsächlich gar nicht mal so schwer fiel. Der sternklare Himmel mit Millionen und Abermillionen kleinen, leuchtenden Punkten und seinem in aller Pracht über uns stehendem Vollmond während des Eiswand-Biwak-Wochenendes erhellte die schneebedeckten Gipfel und den massiven Gletscher um uns herum, tauchte alles in einen gelb-schummrigen Schein und machte beinahe die Nacht zum Tag an einem Ort, wo jegliche künstliche Beleuchtung mit Ausnahme unserer Stirnlampen nicht existiert.
Sonnntag, 22.09.2013 – Nordwand Hinterer Brochkogel
Schließlich schlief ich wieder ein und wurde pünktlich zum Sonnenaufgang und einem nicht weniger spektakulärem Morgenrot, das die Berge in einem hellen Orange-Ton erstrahlen ließ, wach. Schon allein für diesen Anblick beim Öffnen der Augen lohnten sich für mich alle Strapazen und Schindereien. Meine Kopfschmerzen schienen besser geworden zu sein und nachdem ich sicherheitshalber zu einer Schmerztablette griff, um nun den zweiten Tag auch wirklich voll und ganz genießen zu können, stieg meine Vorfreude auf die anstehende Tour bis ins Unermessliche!
Wir begannen, unsere Sachen zusammenzupacken, während Markus sich abermals ums Essen kümmerte. Unser Chefkoch kredenzte uns einen vorzüglichen, gefriergetrockneten Milchreis mit Apfelstückchen, die Vorgehensweise war die gleiche wie für’s Abendessen. Schnee schmelzen und zum Kochen bringen, Tüte aufreißen, mit Wasser füllen, die Öffnung oben zuhalten und zehn Minuten warten und zwischendurch mal umrühren, danach konnte gegessen werden. Während des Frühstücks wurde dann der weitere Tagesablauf besprochen. Henrike ging es leider nicht besser und so beschlossen Thomas und sie, gemeinsam zur Breslauer Hütte abzusteigen und dort auf uns zu warten. Sabine, Felix und Rainer blieben in ihrer gewohnten Seilschaft und zu Markus und mir gesellte sich Axel. Das Ziel war klar, die Nordwand des Hinteren Brochkogels (3628m), auf dessen Südseite wir vom Biwakplatz aus schauen konnten. Nachdem also alle fertig waren mit essen und packen, ließen wir erneut die nicht benötigten Ausrüstungsgegenstände am Biwakplatz zurück, verabschiedeten uns vorerst von den beiden anderen und machten uns auf die Socken, den Hinteren Brochkogel zu umrunden.
Schon beim Abmarsch fiel mir eine Veränderung auf, denn mich plagten weder Kopfschmerzen, noch diese allgemeine Mattigkeit vom Vortag und selbst der wenige Schlaf konnte mir an diesem Tag nichts anhaben. Ich war fit und zwar richtig!
Wir stapften durch den teils knietiefen Schnee und waren, man glaube es kaum, völlig allein dort oben! Gefühlt nur Minuten nach unserem Abmarsch erreichten wir die Nordseite des Hinteren Brochkogels und erblickten die rund 250m hohe Nordwand, die es an diesem Tag zu durchsteigen galt, bedeckt mit dickem Eis und schätzungsweise 30cm Schnee. Da die Seilschaft vom Rainer zuerst losgelaufen war, stiegen sie auch als erste in die Wand ein, wir warteten also ein paar Minuten, damit wir uns nicht gegenseitig in die Quere kamen und begannen ebenfalls den langen und kräftezehrenden Aufstieg. Wieder und wieder versuchte ich, mir bewusst zu machen, was ich hier tat. Ich stand Ende September, an einem Sonntag Morgen bei perfektem Wetter nahezu alleine auf einem der beliebtesten Gletscher der Österreicher Alpen, begleitet von anderen Alpinisten, die ebenso viel Spaß an der Sache hatten, wie ich und erlebte mal wieder etwas Außergewöhnliches! Welch ein Privileg, während der Rest der Welt noch im Bett zu liegen schien…
Das Prozedere war in jeder Seillänge das gleiche. Markus stieg vor, schabte mit den Eisgeräten den Schnee vom blanken Eis und baute uns mit zwei bis drei Eisschrauben den Standplatz. Sobald er uns zurief, dass wir nachkommen können, machte ich mich auf die Socken. Ich stieß die Frontzacken so gut wie möglich ins Eis und ließ die Fersen hängen, damit sich auch die ersten senkrechten Zacken im Eis fest bissen und ich so möglichst gut stehen konnte. Schritt für Schritt arbeitete ich mich die 50 – 55° steile Wand nach oben, nur knapp hinter mir Axel, der die Standplätze abbaute. Schon nach wenigen Metern begann mein Puls jedes Mal rapide anzusteigen, die Atmung wurde schneller und ich merkte, wie eben dieses direkt und geradlinige Aufsteigen ganz extrem auf die Kondition geht, wie ich es mir nicht hätte träumen lassen. Völlig außer Puste erreichte ich immer den nächsten Standplatz und war etwas beruhigt, wenn Markus mir versicherte, dass er nicht weniger schnaufend den Standplatz einrichten würde.
Etwa auf der Hälfte der Eiswand mussten wir längere Zeit pausieren, da wir sonst doch die Linie der anderen Seilschaft gekreuzt hätten. So verweilten wir etwas am Standplatz, machten Quatsch, erzählten uns kleine Anekdoten aus vergangenen Touren und Markus wie auch Axel amüsierten sich prächtig über mich, bekam ich mich doch kaum wieder ein und stammelte ständig etwas wie
„Boah, ist das geil hier oben. Genau so muss das sein! Absolut grandios, echt einmalig!“
vor mich hin. Nachdem die Route über uns wieder frei war, machte sich Markus wieder daran, die letzten beiden Seillängen zu bezwingen. Wir hatten uns, genau wie die anderen drei, dafür entschieden, ein direkt über uns liegendes Stück Steileis mit ca. 80° Neigung zu gehen, dort sollte zum Abschluss noch mal ein Hauch von Eisklettern entstehen. Wir trieben also die Eisgeräte, -Schrauben und Steigeisen weiter in das gefrorene Nass, kaum mehr zu bändigen und wild entschlossen, den Gipfel so schnell wie möglich zu erklimmen.
Nach dem besagten Steilstück, die anderen drei hatten sich bereits wieder an den Abstieg gemacht, standen wir zu dritt mal wieder völlig allein auf dem Gipfel. Am Horizont zogen ein paar Wolken auf, die uns jedoch nicht stören sollten, wo wir doch wussten, dass wir alle uns gesteckten Ziele für dieses Wochenende erreicht hatten und „nur“ noch wieder zurück zur Breslauer Hütte und dann ins Tal kommen mussten. Also genossen wir auch auf dem Hinteren Brochkogel die wertvollen und so wunderbar einsamen Gipfelmomente, schossen unsere Fotos und tranken einen kleinen Schluck vom Gipfelschnapps, bevor wir uns auf den Abstieg konzentrierten. Dieser war, als wäre das Wochenende nicht schon toll genug gewesen, noch mal ein absolutes Schmankerl zum Abschluss. Über den Südost-Grat mit seinen kurzen Kletterstellen im zweiten Grad ging es für uns in rund zwanzig Minuten zurück zum Mitterkarjoch. Dieser sehr ausgesetzte Grat erfordert noch mal die volle Aufmerksamkeit seiner Begeher, belohnt dafür aber bis hinunter zum Mitterkarjoch mit einem spektakulären Ausblick.
Unten angekommen verstauten wir die dort gelagerten Ausrüstungsgegenstände in den Rucksäcken und traten zusammen mit den anderen drei den Abstieg auf die Breslauer Hütte an. Auf der Hütte erwarteten uns bereits Henrike und Thomas, die den Tag auf der Terrasse genossen hatten, wir aßen noch eine Kleinigkeit und gönnten uns das verdiente Sieger-Radler, bevor wir uns wieder auf den Weg hinab ins Tal machten. Die letzten rund 500 Höhenmeter, da waren wir uns alle einig, wollten wir den kleinen Sessellift nehmen, um den müden Knochen und Gelenken eine kleine Pause zu genehmigen und schneller wieder in Vent anzukommen. Im Tal hatten wir dann zumindest Henrike und ich noch das Vergnügen, mit Thomas von Bergzeit um die Schlafsäcke zu feilschen, die sie uns freundlicherweise für das Eiswand-Biwak zur Verfügung gestellt hatten und die wir unbedingt behalten wollten 🙂 Nachdem auch diese Angelegenheit erledigt war, stand uns nur noch die Verabschiedung und Heimreise bevor.
Knapp sechs Stunden Autofahrt später erreichte ich wieder das heimatliche Mainz, schleppte meine Ausrüstung nach oben in die Wohnung und fiel müde, aber zufrieden und stolz in mein Bett, am kommenden Tag stand wieder die Arbeit auf dem Plan.
Mein Fazit: Ein abenteuerliches, lustiges, erlebnisreiches und anstrengendes, aber absolut lohnendes Wochenende in den Ötztaler Alpen mit einer super netten und lustigen Truppe, oder wie ich auf Axels Wunsch hin kurz und knapp formulierte: „Eines der besten Aplinerlebnisse, die ich bisher hatte!“
Mein Dank geht an dieser Stelle nochmals an all diejenigen, ohne die das Eiswand-Biwak (für mich) nicht möglich gewesen wäre: Bergzeit.de und Mountain Equipment, die-Bergfuehrer.de, Axel als zusätzlichen Blogger, die drei anderen Gewinner Henrike, Sabine und Felix und last but not least Bine und Ronny für die Hilfe bezüglich eines geeigneten Fortbewegungsmittels 🙂
Ach übrigens… sollte euch nun auch das Bergfieber gepackt haben und ihr wollt an einem so tollen und abenteuerlichen Trip teilnehmen, dann schaut euch doch mal die entsprechende Seite auf Bergzeit.de an. Hier findet ihr alle Alpin Camps und seht auch gleich, ob derzeit eine Aktion läuft, auf die ihr euch bewerben könnt. Viel Erfolg!
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